Ein bundesweiter Aktionstag ermöglicht den Mitarbeiter-Austausch zwischen Behindertenwerkstätten und regulären Betrieben-für einen Tag. Auch in Rottweil tauschen zwei Angestellte ihre Plätze.
Im Rahmen des Aktionstags „Schichtwechsel“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen fand auch in Rottweil ein solcher Perspektivwechsel statt. Andre Rottweiler von der Lebenshilfe tauschte für einen Tag seinen Arbeitsplatz mit Timmy Lai er vom lntersport Kirsner Team. Der Tag begann für beide mit einem gemeinsamen Briefing in den Räumen der Lebenshilfe. Neben Marcus Frank, dem Inhaber von Intersport Kirsner, waren auch Markus Ettwein, Bereichsleiter Arbeit und Bildung der Lebenshilfe, sowie Werkstattleiter Manuel Preuss dabei.

Es werden Aufgaben gesucht, die zum Personal passen

Ein kurzes Kennenlernen macht die Teilnehmer miteinander vertraut und eine Führung durch die verschiedenen Arbeitsbereiche der Einrichtung zeigt, welche Arbeiten die Behindertenwerkstatt ausführt. Die Aufgaben reichen von Verpackungs- und Konfektionierarbeiten über leichte Metallbearbeitung, bis hin zur Montage des Innenlebens von Spülmaschinen.
Andre arbeitet etwa drei Tage pro Woche in der Werkstatt und verpackt dort Schimmelreiniger. Er faltet Kartons, legt das Reinigungsmittel und die Anleitungen hinein, verschließt den Karton und stapelt ihn auf Paletten. In der Werkstatt kann er fast alle Tätigkeiten ausführen. Zusätzlich arbeitet er zweimal pro Woche bei einer externen Firma. Zum Aktionstag sagte Andre: ,,Ich lass mich überraschen und freue mich, dabei zu sein.“ Er sei gespannt, was auf ihn zukomme. Andere Mitarbeiter der Behindertenwerkstatt benötigen hingegen intensivere Betreuung und Förderung. Daher ist der Arbeitsbereich der Lebenshilfe in drei Bereiche gegliedert: ein Förderbereich für Schwerbehinderte, eine Mittelstufe – den sogenannten Werkstatttransfer-, wo kleinere Arbeiten verrichtet werden und die Betreuung noch intensiv ist, und den Werkstattbereich, in dem Menschen mit Behinderung tägliche Arbeit verrichten.
„Der Unterschied zur freien Wirtschaft ist, dass wir nicht Personal für bestimmte Aufgaben suchen, sondern Aufgaben, die zu unserem Personal passen“, erklärt Ettwein. Dazu werden auch spezielle Vorrichtungen gebaut, um individuelle Tätigkeiten zu ermöglichen. ,,Wir orientieren uns an den Interessen unserer Leute und geben ihnen die Aufgaben, die sie brauchen und wollen“, ergänzt Preuss.

Fußballschuhe, Wanderkleidung und Mode

Timmy Laier soll an diesem Tag in verschiedenen Bereichen der Werkstatt arbeiten, um einen Eindruck vom Alltag in einer Behindertenwerkstatt zu gewinnen. Er ist neugierig, was der Tag so bringt. ,,Ganz unbekannt ist mir das nicht, da ich ursprünglich aus der Altenpflege komme“, sagte er. Bei lntersport arbeitet er im Verkauf, Einkauf und in der Skiwerkstatt. Andre zeigt ihm die Arbeitsschritte und weist ihn noch ein, bevor er selbst zur lntersport-Filiale in der Innenstadt geht.
„Alles kann, nix muss“ – so beschreibt lntersport-lnhaber Frank den Arbeitstag für seinen neuen Mitarbeiter auf Zeit. Im Team wurde Andre freundlich aufgenommen und erhielt ein T-Shirt. Als Kapitän der lnklusions-Fußballmannschaft des SV Zimmern weiß er sofort, dass er bei den Fußballschuhen arbeiten will, aber auch Wanderkleidung und Mode interessieren ihn. ,,Andre ist sehr modebewusst“, sagte Ettwein.

Frank plant, ihm diese Bereiche zu ermöglichen und auch zu zeigen, wie der Arbeitsalltag abläuft. Dazu gehören auch Tätigkeiten am Computer und in der Skiwerkstatt. ,,In der Skiwerkstatt zeigen wir, wie man Halterungen anbringt oder Ski wachst“, erklärte Frank. Am Ende des Tages will er sich Zeit für Fragen und Feedback nehmen.
Für Andre ist die Arbeit bei lntersport nicht völlig neu. Sein Bruder hat dort nämlich seine Ausbildung gemacht. ,,Ich freue mich, dieselben Aufgaben zu machen, die auch mein Bruder schon gemacht hat“, sagte er. Ein lustiger Zufall, den bis zum Programmstart keiner wusste.

Nach den Aussagen von Luke Mockridge – Flagge zeigen

Frank betonte, dass ihm das Thema Inklusion sehr am Herzen liegt und er es durch solche Aktionstage fördern möchte. ,,Als Sportpsychologe war ich bereits in die Inklusion und Integration von Sportlern mit Behinderung involviert“, sagte er zum Tagesauftakt. Und dass er mitmacht, hat auch noch einen weiteren Grund: ,,Nach den Aussagen von Luke Mockridge zu den Paralympics war es mir wichtig, Flagge zu zeigen.“
Auch Ettwein ist froh über die Zusammenarbeit mit lntersport Kirsner. ,,In einem Ladengeschäft ist so eine Aktion präsenter als in einer Werkhalle“, sagte er und fügte hinzu: ,,Ich freue mich über alles, was der Inklusion von Menschen mit Behinderung dient“, denn die Aufgabe von Behindertenwerkstätten sei es, die „berufliche und soziale Rehabilitation von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung“ zu fördern, so Ettwein.

Aktionstag „Schichtwechsel“

Der Aktionstag „Schichtwechsel“ ist ein bundesweiter Aktionstag der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Sie koordiniert den Tag auf Bundesebene seit 2019. Am Aktionstag, 1 o. Oktober, nehmen rund 4200 Menschen Teil. Darunter mehr als 2400 Werkstattbeschäftigte mit Behinderungen und rund 1800 Mitarbeitende aus Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, heißt es auf der WebBite der Arbeitsgemeinschaft. Damit sollen neue Perspektiven auf das Thema Arbeit kennengelernt und gemeinsam Vorurteile abgebaut werden.

Foto von Wolff, Schwarzwälder Bote: Andre Rottweiler (links), Timmy Laier, Marcus Frank, Manuel Preuss und Markus Ettwein vor der Lebenshilfe.

Quelle: Schwarzwälder Bote vom 10.10.2024